Piet Oudolf für HORTUS: Die Kunst am Bau ist der Garten
03.02.2025, SENN
Gartenkunst mit Weltruf
Piet Oudolfs Schaffen liest sich wie ein Who’s Who von ausserordentlichen Gärten: der High Line Park in New York, die Lurie Gardens in Chicago, der Queen Elizabeth Olympic Park in London, der Giardino delle Vergini in Venedig, der Country Cork Garden in Irland, die Gartenanlage auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein und viele mehr. Im Interview erfahren wir, wieso er sich dem HORTUS Innengarten angenommen hat und auf welche Aspekte er bei der Planung besonderen Wert legt.
Woran arbeiten Sie zurzeit nebst HORTUS?
Piet Oudolf: Nebst HORTUS arbeite ich aktuell an mehreren Projekten in Schweden und Holland, darunter ein Museum für Zeitgenössische Kunst. In den USA kollaboriere ich mit Herzog & de Meuron bei Calder Gardens, weiter arbeite ich an einem kleinen Markplatz in Omaha, Nebraska, sowie zwei Projekten in Chicago, und ein grosser öffentlicher Raum auf der Highline in New York. Ein weiteres Projekt habe ich in Seoul, wiederum auch mit Herzog & de Meuron. Dazu kommen kleinere Projekte in Belgien und Frankreich. Das mag nach ziemlich viel tönen – dank der Zusammenarbeit und Unterstützung der Landschaftsarchitekten Deltavormgroep aus Utrecht ist es aber gut zu bewältigen und stressfrei.
Was hat Sie am HORTUS gereizt, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, es zu planen?
Der Innenhof des HORTUS ist eher klein und erhält nicht allzu viel Sonnenlicht. Das fand ich eine spannende Ausgangslage. Als ich mir den Film anschaute, war ich sofort vom Projekt angetan.
Was ist für Sie wichtig am Projekt HORTUS?
Für mich ist es wichtig, dass ein gutes Verständnis über die technischen Aspekte wie die Erde, oder auch das Bewässerungs- und Entwässerungssystem vorhanden ist. Genauso wichtig ist es, dass wir eine gute Zusammenarbeit mit dem Bauherrn, den Architekten und den Landschaftsgärtnern haben.
Der Innenhof des HORTUS ist verhältnismässig eher klein – inwiefern hat das Ihr Konzept und die Herangehensweise beeinflusst?
Bei meiner Arbeit geht es stets darum, das Konzept dem Raum anzupassen und intuitiv auf diesen zu reagieren. Der HORTUS Innengarten ist auf seine Art einzigartig und hat das Potenzial, ein wunderschöner Ort zu werden. Dazu gilt es, eine Bepflanzung auszuwählen, die von der Seite und auch von oben schön anzusehen ist und diese Qualität über das ganze Jahr hinweg behält. Die wichtigsten Aspekte dabei sind die Struktur in Form einer leicht hügeligen Landschaft mit vereinzelten Steinen, das Immergrün und natürlich auch die Blütephasen der Pflanzen. Zur Pflanzengemeinschaft werden auch Bäume gehören sowie Kletterpflanzen entlang der Seile, die mit der Zeit einen zusätzlichen Effekt entwickeln werden.
Welchem Masterplan sind Sie hinsichtlich Bepflanzung gefolgt und sind Sie von einer spezifischen Pflanze ausgegangen?
Wir haben den Masterplan gemeinsam mit Deltavormgroep erstellt und versucht, diesen nicht zu komplex zu gestalten. Der Fokus liegt auf dem Garten und der Bepflanzung sowie der Zugänglichkeit für die Mieter:innen und Besucher:innen von HORTUS. Letztere wird mittels eines kleinen Wegs durch die hügelige Landschaft ermöglicht. Was die Bepflanzung betrifft, so sind wir nicht von einer spezifischen Pflanze ausgegangen, sondern haben eine Gemeinschaft von Pflanzen entwickelt, die gut zusammenpassen und sich nicht überwuchern. Da es eher ein schattiger Standort ist, war das nicht ganz einfach.
Inwiefern gehen Sie auf den Entwurf von Herzog & de Meuron ein, mit denen Sie zuletzt beim Projekt Calder Gardens zusammengearbeitet haben?
Als Landschaftsdesigner gehe ich, wie erwähnt, primär auf den Raum ein, um den Pflanzen die bestmöglichen Bedingungen zum Gedeihen zu bieten. In diesem Sinn spielt zum Beispiel das vorhandene Licht eine wichtigere Rolle als das Gebäude selbst. Die Frage ist, was im Innenhof des HORTUS gedeihen und überleben kann und wie die Pflanzen vom Gebäude aus wahrgenommen werden. Wichtig ist, dass ein wechselseitiger Bezug und nicht ein allzu starker Kontrast zwischen den Pflanzen und dem Gebäude besteht.
Wie nehmen Sie die radikale Nachhaltigkeit des HORTUS in der Pflanzenauswahl und -bepflanzung auf?
Ich berücksichtige bei meiner Arbeit immer den Nachhaltigkeitsaspekt, insofern war das keine neue Ausgangslage für uns. Die ausgewählten Pflanzen müssen nicht nur für sich genommen stark und langlebig sein, sondern auch in der Gemeinschaft. Wichtig dabei ist, dass sie sich nicht gegenseitig konkurrieren, sondern ergänzen und harmonieren. Alle Pflanzen, die wir für HORTUS ausgewählt haben, sind bescheiden, langsam wachsend und standortaffin, so dass sie dort bleiben, wo sie gepflanzt wurden. Wir arbeiten mit Pflanzen, die im Allgemeinen und das ganze Jahr über eine gute Anpassungsfähigkeit aufweisen. In diesem Sinne bedeutet Nachhaltigkeit, dass eine solche Gemeinschaft über längere Zeit gedeihen kann.
Die vertikale Bepflanzung spielt eine wichtige Rolle beim HORTUS – welchen Anzsatz verfolgen Sie hier?
Wir verwenden die am stärksten wachsenden Kletterpflanzen, da sie eine beachtliche Höhe erreichen sollen. Darunter sind Kletterpflanzen wie die chinesische Pfeifenwinde, die Minikiwi, die selbstkletternde Jungfernrebe oder auch die Glyzinie. Es ist eine Mischung von Pflanzen mit Blüten und Beeren. Im Endeffekt hoffen wir und sind überzeugt, dass sie dem Licht entgegenwachsen werden.
Wie und wo äussert sich Ihr Gartenstil «New Naturalism» konkret im HORTUS?
Die Natur folgt keinem Konzept und kümmert sich um sich selbst. Im Endeffekt ist meine Aufgabe, ein gutes Habitat für die Pflanzen zu schaffen. Es gibt viele Missverständnisse und falsche Auffassungen rund um Landschaftsdesign. Die Essenz liegt in der Kenntnis der Pflanzen und ihres Verhaltens mit anderen Pflanzen, einfach gesagt. Dieses Wissen eignet man sich ein Leben lang an. Darüber hinaus braucht es ein Gespür oder Talent für Design, um einen schönen und gesunden Garten mit einer eigenen Handschrift zu gestalten.
Sind Ihre Gärten Natur, Kultur, Kunst oder eine Mischung davon?
Unsere Gärten sind mehr Kultur und Kunst als Natur im eigentlichen Sinn. Mit anderen Worten versuchen wir nicht, die Natur nachzuahmen, sondern Gärten zu kreieren, die ein spezielles Gefühl vermitteln, so wie das auch zum Teil in der Natur erfahrbar ist. Man könnte auch sagen, dass unser Ziel ist, Natur in ihrer schönsten Form zu ermöglichen und wir eine Konzentration von schönen Dingen anstreben, die die Sinne positiv stimulieren.¨
Wie viel Arbeit wird in die Erhaltung des Gartens beansprucht?
Das ist schwierig abzuschätzen für uns und ausserhalb unseres Einflusses. Das Wichtigste wird es sein, einen Gärtner zu engagieren, der sich mit Pflanzen sehr gut auskennt. Das ist nicht immer ganz einfach zu gewährleisten.
Zur Person
Piet Oudolf wurde 1944 in Haarlem, Niederlande, geboren. Seit 1982 lebt und arbeitet er in Hummelo, Niederlande, wo er mit seiner Frau Anja eine Gärtnerei für den Anbau von Stauden gegründet hat. Sein Garten ist seither für Oudolfs radikalen Ansatz und seine Ideen zur Pflanzgestaltung bekannt geworden. Er war auch Mitbegründer von Future Plants, einem Unternehmen, das sich auf die Auswahl, den Anbau, die Zucht und den Schutz von Pflanzen zur Landschaftsgestaltung und für öffentliche Bereiche spezialisiert hat.
In seiner bislang 49-jährigen Karriere erlangte Piet Oudolf internationale Anerkennung und wurde mit einem Ehrenstipendium des RIBA für die Entwicklung radikaler Ideen im Pflanzendesign (2012) und dem Preis der Prinz-Bernard-Kulturstiftung (2013) ausgezeichnet. Im Oktober 2013 wurde er zum Gastprofessor für Pflanzendesign im Department of Landscape an der Universität Sheffield ernannt.
Weitere Artikel zum Thema:
Das einzigartige Deckensystem des HORTUS
Kreislaufbauen III – HORTUS und das Holz
Beitrag teilen