Warum die Kaninchen-Gewinner jedes Projekt ganz neu denken

Dachausbau mit Liebe zum Detail

Mit ihrem Dachausbau haben Heinrich Toews und Ioannis Piertzovanis den diesjährigen Architektur-Nachwuchspreis Kaninchen gewonnen. Im Gespräch erzählen sie, wie die Liebe zum Detail Kräfte freisetzt und warum das auch bei Grossprojekten funktioniert.

(Fotos: Simone Bossi)

Der Dachausbau von Piertzovanis Toews im Basler Matthäusquartier strotzt förmlich vor Liebe zum Ort. Die beiden haben seine Vergangenheit als Gewerbehaus miteinbezogen. Der Waschtrog in der Ecke zeigt dies sinnbildlich: Er erinnert an die grossen Waschtröge, die sich im Hof befinden und in denen die Maler früher ihr Werkzeug gewaschen haben. Gebaut ist er aus alten Drechselstäben, welche die Architekten im Keller des Hauses gefunden haben.

So überzeugte das Projekt auch die Jury mit seiner «unnachgiebigen Liebe zur einfachen Konstruktion und zum poetischen Baudetail». Liebe ist ein wichtiges Stichwort. Was als einfaches Projekt begann, entwickelte sich weiter, indem sich die Beteiligten gegenseitig mit ihrer Begeisterung ansteckten: «Die Liebe zum Detail setzt Kräfte frei», beschreibt es Heinrich Toews.

Das Alte neu lesen

So gibt es im und am Dachausbau auch vieles, an dem der Blick hängen bleibt, sei es der erwähnte Waschtrog oder der in Perlmutt schimmernde Ring, auf dem der Stahlträger ruht. Auch das Dach aus mattem Wellblech und den filigranen Latten als Tragwerk ist ein Hingucker. Nach ihrem Lieblingsaspekt gefragt, erwähnen beide Architekten aber nicht diese auffälligen Details. Toews gefällt, dass sich alt und neu zu einer Gesamtheit einfügen. Und Piertzovanis hebt den «Moment des Weiterbauens» hervor. «Es geht hier nicht nur um Wiederverwenden, sondern um neu lesen», sagt er.

Die beiden Architekten haben bei ihrem Erstlingsprojekt selbst Hand angelegt. Etwa mit einer Holzkonstruktion für das Dach aus dem Baumarkt oder der Suche nach dem richtigen Farbton für den Stahlring in der Auto-Lackiererei. Lässt sich eine solche Detailliebe auch auf grössere Projekte übertragen. «Ja, das geht», sind sich beide einig. Ioannis Piertzovanis sagt: «Man kann für Grossprojekte mit der gleichen Sorgfalt Details entwickeln, die im grösseren Massstab reproduzierbar sind.»

Das junge Architekturbüro hat gerade einen Wettbewerb um ein Alterszentrum in Zürich mit einer Bausumme von 60 Millionen Franken gewonnen. Eine Gelegenheit ihre «Detailliebe im Grossen» zu zeigen.

Bloss keine Marke werden

Ob das nächste Projekt als «Piertzovanis Toews» erkennbar sein wird, bleibt aber fraglich. Denn die beiden möchten eine eigene Handschrift tunlichst vermeiden. «Man soll nicht von Weitem erkennen, von wem das Gebäude entworfen wurde», sagt Toews. Und Piertzovanis ergänzt, es sei ihre Absicht jedes Projekt völlig neu zu starten, ohne vorgegebene Meinung, ohne zu wissen wohin die Reise geht. «Das ist auch das, was uns Freude macht.»

Immer im Blick haben sie dabei die Nachhaltigkeit. Die Basler Architekten meinen damit auch die kulturelle Nachhaltigkeit. «Wir sollten uns ernsthaft mit dem auseinandersetzen, was wir hinterlassen», sagt Toews. Das Basler Münster sei gerade 1000 Jahre alt geworden, nun sei die Frage, was den nächsten 1000 passiere.

Über den Förderpreis «Kaninchen»

SENN stiftet im Rahmen der «Besten» von Hochparterre jährlich einen Preis für das beste Erstlingswerk in Architektur. Mit dem Erstlingswerk ist ein Projekt gemeint, welches ein Einzelner oder eine Gruppe geplant und in der Schweiz realisiert hat. Selbständig im eigenen Büro und nicht als Angestellte, so dass mindestens 50 Leistungsprozente gemäss SIA 102 erbracht worden sind.