Made in Zürich

«Eine reine Dienstleistungsstadt wäre doch langweilig»

Während noch vor wenigen Jahren frische Landluft an erster Stelle stand, werden nun urbanere Töne angestimmt. Stadtbewohner:innen schätzen lokale Produkte. So auch die Trockenwürste von mikas aus Zürich. Mika Lanz verkauft diese seit 2010 und hat in dieser Zeit eine spannende Entwicklung miterlebt. Im Interview erzählt er, was die Produktion in der Limmatstadt besonders macht und warum er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Mika, deine Trockenwurst hat den treffenden Namen Stadtjäger. Wie bist du auf das Produkt gekommen?

Ursprünglich war ich Kameramann. Aber Essen hat mich schon immer interessiert und ich wollte immer ganz genau wissen, wie aus Rohstoffen eine Mahlzeit wird. Ich war bereits mit vier Jahren in meinem ersten Kochkurs. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass ich im Studium der Lebensmittelwissenschaften gelandet bin. Neben dem Studium habe ich in der Macelleria Fulvi gearbeitet. Ich lernte das Handwerk und kam auf die Idee, eine Trockenwurst aus Zürcher Schweinen zu machen. Ich habe dann einen Biohof mit Schweinen in Seebach gefunden. So ist der Stadtjäger entstanden. Erst habe ich vor allem für Freund:innen produziert. Aber um ein ganzes Schwein zu verwerten, braucht es mehr Abnehmer:innen. Berg und Tal war der erste Laden, der meine Produkte verkauft hat.

Wie und wo produzierst du?

Der Produktionsort ist gerade in der Stadt eine entscheidende Frage. Schliesslich ist Fläche hier teuer. Bis vor zwei Jahren habe ich im Keller einer Kirche produziert – ohne Tageslicht und Warenlift. Jetzt sind wir zusätzlich auf dem Schlachthofareal in Zürich. Dort können wir die vorhandene Infrastruktur mitnutzen und profitieren von Synergien mit anderen Firmen.

Ist die Produktion in der Stadt das Thema der Stunde?

Ich kann vor allem über den Lebensmittelbereich sprechen. Dort sehe ich eine grosse Entwicklung. Als ich 2010 angefangen habe, war ich ein Exot. Damals haben die Konsument:innen Produkte aus der «Landluft» bevorzugt. Heute ist die urbane Produktion trendy geworden. In Zürich gibt es heute zahlreiche Läden, die sich auf lokale Produkte spezialisiert haben. Dies nachdem in den 1970er Jahren die Quartierläden ausgestorben und nur noch Grossverteiler angesagt waren. Rückblickend habe ich genau in der richtigen Zeit angefangen.

Hast du denn am Anfang den Trend gespürt?

Das stand für mich nicht im Vordergrund. Für mich war die Produktion in Zürich natürlich, weil ich hier aufgewachsen bin und hier arbeiten will. Ich muss auch anfügen, dass Zürich die perfekte Stadt für meine Produkte ist. Sie ist gross genug, um einen gewissen Markt zu haben und die Kaufkraft ist hoch. Unsere Produkte sind nicht günstig. Und klar ist auch, dass mit unseren Produkten kein Massenmarkt möglich wäre. Wir haben eine Baby-Nische gefunden.

Welchen Vorteil habt ihr davon, in der Stadt zu produzieren?

Es wird geschätzt, was um die Ecke hergestellt wurde. Dazu haben wir kurze Transportwege. Und natürlich einen attraktiven Arbeitsplatz. Ich produziere gerne dort, wo ich auch lebe. Und ein ganz wichtiger Punkt, den ich betonen möchte: Urbane Produktion macht handwerkliche Berufe in der Stadt sichtbar. So steigt auch deren Wertschätzung. Das halte ich für entscheidend, denn von einer heterogenen Stadt profitieren alle. Eine blosse Dienstleistungsstadt wäre doch langweilig.

Du bist im Vorstand des Vereins «Made in Zürich». Darin sind ganz unterschiedliche Macher:innen verbunden. Was macht ihr konkret?

Die Netzwerkpflege untereinander ist wichtig. Mich interessiert, dass ich im Verein auch auf Unternehmer:innen ausserhalb der Lebensmittelbranche treffe. «Made in Zürich» fördert die Wahrnehmung der urbanen Produktion. Viele sind sich gar nicht bewusst, wie viel in der Stadt hergestellt wird. Dazu pflegen wir das Herkunftslabel «Made in Zürich», das die «Swiss Made» Regeln auf Zürich anwendet und wir engagieren uns im Bereich der Kreislaufwirtschaft.

Auf welche stadtspezifischen Herausforderungen treffen produzierende Unternehmen?

Die Preise für Produktionsflächen sind für viele Unternehmen ein Problem. Darum haben wir mit mikas auch im Keller einer Kirche angefangen. Bei grösseren Betrieben kann es dann schlicht unmöglich werden, Gewerbefläche zu finden. Und das Thema Emissionen ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Zwar findet es jeder toll, eine Brauerei im Quartier zu haben, aber wenn diese am Samstagmorgen Lärm macht, ist es mit der Freude vorbei. Manchmal kämpfen wir mit dem Vorwurf, den ohnehin knappen Wohnraum zu beanspruchen. Aber wie bereits erwähnt, ist eine heterogene Stadt wünschenswert.

SENN baut bald das MACH – ein Gewerbehaus für die urbane Produktion auf dem Koch-Areal. Wie siehst du solchen Projekten entgegen?

Ich habe die Freiräume auf dem Koch-Areal immer geschätzt. Der springende Punkt bei solchen Projekten ist, dass alle Akteur:innen frühzeitig ins Boot geholt werden. Eine gemischte Siedlung aus Produktion, Wohnraum und Gewerbefläche ist spannend, birgt aber auch Konfliktpotenzial zwischen den Nutzungsarten. Gemischte Siedlungen lassen nicht jede Art der Produktion zu. Was mich freut ist, dass die Entwicklung bei Arealen heute anders abläuft als etwa noch bei der Europaallee. Nun wird überlegt, wie ein Projekt für das Quartier spannend wird.

Du produzierst selbst auf dem Schlachthofareal. Der Schlachthof wird 2030 geschlossen. Wie siehst du dem entgegen?

Für mich ist das ein Gewerbeareal, das eines bleiben muss. Aber natürlich könnte die Ausnutzung noch sinnvoller sein. Ich möchte erwähnen, dass sich auf dem Areal schon viel verändert hat. Die grösseren Metzgereien produzieren heute eine breite Palette an pflanzlichen Produkten. Der Mikrokosmos des Schlachthofareals ist für mich ein gutes Beispiel für ein sinnvolles Gewerbeareal: Eine Mischung aus grösseren Unternehmen, die auch mal etwas investieren können und kleinen Firmen, welche die Infrastruktur mitnutzen. Jetzt haben wir bis zur Einstellung des Schlachtbetriebes 2030 Zeit für einem organischen Übergang hin zu einer neuen Nutzungsvielfalt.

SENN liegen Macher:innen am Herzen. Darum haben wir die Initiativen Made in Zürich und Made in St. Gallen mitinitiiert. In Zürich planen wir das Gewerbehaus MACH, für das wir noch weitere Macher:innen suchen.

Mehr darüber, wie sich die urbane Produktion zum Trend entwickelt hat, lesen Sie hier.