Feldfabrik für den Nachhaltigkeitsleuchtturm HORTUS

Baumaterial-Produktion direkt neben der Baustelle

Der Name mag industriell anmuten, doch in der Feldfabrik wurde mehrheitlich von Hand, nach Mass, und vor allem nachhaltig produziert. Um die Transportwege und somit den CO2-Ausstoss zu minimieren, wurden hier von Juni 2023 bis März 2024 die Holz-Lehm-Deckenelemente für das Bürogebäude HORTUS gestampft. Nur einen Steinwurf von der Baustelle entfernt.

Neue Ideen erfordern bekanntlich neue Herangehensweisen. Bestes Beispiel dafür ist das aktuell im Switzerland Innovation Park Basel Area Main Campus in Allschwil entstehende Bürogebäude HORTUS. Um sein radikalstes Nachhaltigkeits-Ziel zu erreichen – Energiepositivität in einer Generation – wurden jedes Bauteil und jeder Schritt im Bauprozess durchleuchtet und auf den CO2-Fussabdruck hin untersucht. Im Wissen, dass herkömmliche Betondecken rund einen Viertel des CO2-Ausstosses beim Bau eines Gebäudes verursachen, legte SENN zusammen mit Herzog & de Meuron und ZPF Ingenieure ein spezielles Augenmerk auf das Deckensystem. Nach einer mehrmonatigen Material-Studie resultierte ein ausgeklügeltes Holz-Lehm-Deckensystem, das die CO2-Emissionen um mehr als zwei Drittel reduziert und in dieser Form ein Novum ist.

Weltpremiere in Allschwil
Auch wenn Lehm und Holz zu den ältesten Baumaterialien der Menschheit gehören, hatte insbesondere Lehm als Baumaterial für lange Zeit höchstes eine marginale Bedeutung. Entsprechend kaum ausgeprägt sind industrielle Fertigungsprozesse für Lehmelemente, geschweige denn Holz-Lehm-Elemente. Deshalb galt es, für diese eigens für das HORTUS entwickelten Bauelemente eine ressourcenschonende und gleichzeitig effiziente Produktionsart sowie einen passenden Ort zu bestimmen. Da auch der Transport des für die Deckenelemente erforderlichen Lehms und Holzes Emissionen verursacht, fiel der Entscheid auf eine in dieser Art neuartige Feldfabrik in unmittelbarer Nähe der Baustelle.

Die Deckenelemente durchlaufen viele Arbeitsschritte im Produktionszelt

Produktions-, Misch- und Lagerzelt in einem
Die Feldfabrik bestand insgesamt aus fünf Zelten: ein Mischzelt, ein Produktionszelt, ein Lagerzelt sowie zwei Pufferzelte. Dabei entwickelten die Holzbauer Blumer Lehmann zusammen mit den österreichischen Lehmspezialisten von Lehm Ton Erde die gesamte Feldfabrik innert drei Monaten. Für die Logistik der Stampflehmmischung wurde eigens eine Maschine entwickelt und hergestellt. Die Stampfstationen wurden speziell konzipiert, um die vorfabrizierten Holzelemente möglichst effizient mit Stampflehm zu befüllen. Das für die Feldfabrik zuständige Team bestand insgesamt aus zehn Personen.

Viel Handarbeit, auch im Mischzelt

Lehm ist nicht gleich Lehm
Lehm ist kein homogenes Material, sondern besteht aus mehreren unterschiedlich zusammengesetzten Schichten. Deshalb machte Lehm Ton Erde im Vorfeld der Errichtung der Feldfabrik verschiedene Tests zur Rezeptherstellung, um die ideale Mischung des Stampflehms aus dem Aushub der Baustelle zu eruieren. Mithilfe von Drucktests wurde schliesslich folgendes Verhältnis für die finale Mischung des Stampflehms bestimmt: 25% aus der lehmigen Deckschicht, 25% aus der verlehmten Schotterschicht und 25% aus der versandeten Schotterschicht aus dem Aushub. Die restlichen 25% der Mischung waren zugekaufter Mergel, der beigefügt wird, damit sich der Stampflehm gut verkeilt und der Mischung Stabilität verleiht. Da die Mischung auch abhängig ist von den aktuellen Wetter- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen, war im Mischzelt immer ein erfahrener Mitarbeiter von Lehm Ton Erde vor Ort.

Bahn für Bahn wird die eingebrachte Lehm-Mischung gestampft

Archaischer Prozess
Um den Aushub aufzubereiten, mussten die lehmige Schotterschicht und die sandige Schotterschicht in einem Prallbrecher gebrochen werden. Das Sieben der lehmigen Schicht war ein speziell aufwändiger Prozess, umso mehr, wenn beim Aushub Nässe vorhanden war. In einem nächsten Schritt wurden die verschiedenen Lehmschichten mittels Bagger und Radlader auf dem Mischplatz gemischt. Diese Mischung kam dann ins Lagerzelt, wo sie durch einen sogenannten Zwangsmischer ging und zu einer homogenen Mischung wurde. Mithilfe von Förderbändern wurden die Elemente befüllt und konnten dann verdichtet werden.

Die Förderbänder transportieren die Mischung aus dem Misch- direkt in das Produktionszelt

Manuelle Prozesse überwiegen
Infolge der Entwicklung der Feldfabrik von Grund auf konnten nicht alle Prozesse automatisiert werden. Der Fokus lag auf der Logistik des Materials, da täglich knapp 30 Tonnen Stampflehmmischung in die vorgefertigten Holzelemente befüllt werden mussten. Auch wenn verschiedene Geräte den Stampf- und Verdichtungsprozess erleichterten, war viel Handarbeit erforderlich für die vielen Prozessschritte vom Aushub bis zum fertig gestampften Element.

Detailarbeit vor der Qualitätskontrolle

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https://senn.com/news/auf-die-decken-kommt-es-an/
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